Wie Pilze ihre Namen bekommen – und warum sich diese immer wieder ändern.
Der Mensch hatte schon seit dem Altertum versucht ein System, eine Ordnung in die Vielfalt der Phänomene (Erscheinungen) zu bringen. Namen wie Aristoteles wären da zu nennen.
Im 18. Jahrhundert führte der schwedische Naturforscher Carl von Linné (latinisiert Carolus Linnaeus) das binäre System ein. Es ist bis heute gültig. Binär (2-er System) bedeutet in diesem Zusammenhang, dass jedes Individuum einer Gattung und – innerhalb der Gattung – einer Art zugeordnet ist. Beispiele dafür sind Canis lupus (Wolf), Rosa canina (Hundsrose) oder Boletus edulis (Fichten-Steinpilz). Linné versuchte also Ordnung in eine göttliche Schöpfung zu bringen, bei der nach Auffassung der abrahamitischen Religionen die Lebewesen in drei Tagen einer Woche (am 3. Tag die Pflanzen, am 5. Tag Meerestiere und Vögel, am 6. Tag Landtiere und der Mensch) erschaffen wurden. Von einer Verwandtschaft war da noch lange nicht die Rede. Es war eine reine Klassifizierung nach morphologischen Kriterien, wie Form von Griffeln und Anzahl von Staubblättern bei Pflanzen, Art der Blätter bei Bäumen, Art des Skeletts bei Tieren usw. So hat sich bei den Pilzen auf diese Weise lange die Klassifizierung „Aphyllophorales“ gehalten. Das war eine Einteilung nach ihrer Eigenschaft keine Lamellen auszubilden, also „Nichtblätterpilze“. Das beinhaltet keinerlei Aussage über die Verwandtschaft im Sinne der Abstammungslehre. Diese wurde erst im Zuge der Rezeption der Evolutionstheorie Darwins in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts Grundlage der Betrachtungsweise. Daraus entstand die Phylogenetik, die die historische (also zeitlich, geschichtliche) Entwicklung der Arten aus gemeinsamen Vorfahren beschrieb.
Dabei kam es dem Übergang der Betrachtungsweise zu Gute, dass vielfach eine ähnliche Morphologie auch auf gemeinsame Vorfahren hinwies (alle Vögel von Ur-Reptilien, Laubbäume aus Ur-Bäumen). Mit zunehmendem Fortschritt der biologischen Naturwissenschaften wurden die Erkenntnisse immer differenzierter und die Zusammenhänge immer präziser, wenn auch gerade deshalb für den naturwissenschaftlichen Laien nicht unbedingt leichter zu verstehen.
Zwei Dinge sind wichtig:
- Solche Rekonstruktionen phylogenetischer Vorgänge sind Ausdruck von Wahrscheinlichkeiten, d.h. die Wissenschaft stellt Hypothesen auf, dass die evolutionäre Entwicklung so oder so verlaufen ist. Je größer die Datenmengen, die wir im Lauf der Zeit generieren, desto präziser werden die Ergebnisse, ohne dass sie je zu einer absoluten „Wahrheit“ werden. Denn niemand hat ja die Millionen Jahre dauernde evolutionäre Entwicklung direkt beobachten können. Deshalb und auch weil die Naturwissenschaft nie einen Schlusspunkt, sondern immer nur einen gegenwärtigen Kenntnisstand abbildet, wird es auch künftig eine Weiterentwicklung geben. Alles ist im Fluss.
Darum wird es wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren zu Umbenennungen, Aufspaltungen, Zusammenführung und Neusortierung von Gattungen, ja sogar Familien, Ordnungen und Klassen kommen. - Die Gruppierung von Arten und damit die hierarchische Gliederung der Taxonomie (Reich – Abteilung – Klasse – Ordnung – Familie – Gattung – Art) ist eine anthropogene (menschengemachte) und damit subjektive Einteilung. Deshalb gibt es auch unterschiedliche Ansichten zwischen ‚Teilern‘, und ‚Zusammenfassern‘ also Wissenschaftlern, die eher zu einem engen oder eher großzügigem Artkonzept tendieren. Das erfolgt aufgrund von praktischen Erwägungen, die ebenfalls subjektiv sind, manchmal möglicherweise von egoistischen oder sogar narzisstischen Motiven geleitet werden. Es kommt darauf an wie und wo man sich einigt, einen Konsens findet.
Deshalb gibt es auch diverse Artkonzepte, in die zu unterschiedlichen Anteilen morphologische, ökologische und genetische Konzepte einfließen. Und auch hier gibt es keine absoluten Wahrheiten und es wird auch keine geben, nur Meinungen und Hypothesen. Es gibt bestenfalls einen Konsens, der aber auch nicht in Stein gemeißelt sein muss. So werden wir damit leben müssen, dass diese Einteilungen im Fluss bleiben und wir uns wie auch schon die letzten Jahrhunderte an neue Namen werden gewöhnen müssen. Siehe auch die oft lange Liste von Synonymen beim Index Fungorum.
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